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Öffentliche Konzerte und Hausmusik. Bürgerliches Musikleben im 19. und 20. Jahrhundert.

Im Jahre 1803 übernahm eine Konzertdirektion den Neubeginn der ständigen Konzerte. 1805 wurde der 28jährige Mannheimer Geiger Johannes Tollmann als Konzertmeister verpflichtet. Ihm gelang es, die bisher wenig überzeugenden musikalischen Leistungen des Orchesters auf ein ansprechendes Niveau anzuheben und damit das Musikleben bis zu seinem Tode im Jahre 1829 wesentlich zu bestimmen.

Gleichzeitig mit dem Bau des Stadtcasinos (1826) wurde die sogenannte «Conzertgesellschaft» gegründet. Die in den öffentlichen Konzerten auftretenden Musiker wurden häufig auch für Hausmusik und Soireen im privaten Kreis engagiert. Dabei fanden immer wieder namhafte Musiker wie etwa Carl Maria von Weber, Louis Spohr, Franz Liszt, Robert und Clara Schumann oder Johannes Brahms den Weg nach Basel.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstanden wichtige Institutionen, die sich der Veranstaltung von Konzerten oder dem Musikunterricht widmeten: 1824 der Basler Gesangverein und 1827 der Singverein für Männer (ab 1853 Basler Liedertafel); 1876 die Allgemeine Musikgesellschaft, 1911 der Basler Bach-Chor und 1926 das Basler Kammerorchester (1986 aufgelöst). Seit 1843 besteht in Basel ein ständiges Theaterangebot.

1867 wurde die Musikschule ins Leben gerufen und 1905 durch eine berufsausbildende Abteilung, das Konservatorium erweitert; 1956 wurden Musikschule, Konservatorium und das 1933 von Paul Sacher begründete Lehr- und Forschungsinstitut für alte Musik (Schola Cantorum Basiliensis) zur Musik-Akademie der Stadt Basel vereint. Heute haben die berufsbildenden Klassen Fachhochschulstatus. Seit 1900 besteht an der Universität Basel ein Lehrstuhl der Musikwissenschaft.

Komponisten und Musiker auf Besuch in Basel im 19. Jahrhundert

Uraufführungen im 20. Jahrhundert in Basel

Musikbeispiele

"´Allegro, Adagio, Presto´ Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur ", (1810) // Carl Maria von Weber (1786-1826) // Nikolai Demidenko, Klavier, Scottish Chamber Orchestra, dir. Sir Charles Mackerras // P/C 1995; Hyperion CDA 66729.

Kurz bevor er [Weber] sich verehelichte, brachte dieser im Jahre 1811 einige Tage in Basel zu, die er dank der freundlichen Aufnahme durch einige Bürgersfamilien sehr angenehm verlebte. Für eines seiner Konzerte lieh ihm Madame Burckhardt ihr schönes Piano. Nach Webers eigenen Worten waren die Leute ganz toll und wollten ihn 'mit Teufels Gewalt' da behalten.
Wilhelm Merian, Basels Musikleben im XIX. Jahrhundert, Basel 1920, S. 9.
"´Concertante Nr. 1 G-Dur, Allegro, Adagio, Rondo-Allegro´ für Violine, Harfe und Orchester", (1806) // Louis Spohr (1784-1859) // Hans Heinz Schneeberger, Violine, Ursula Holliger, Harfe, English Chamber Orchestra, dir. Peter Lukas Graf // P/C 1987; Clav 50 208.

Einige Jahre nach Weber, 1816, kam der Komponist und Kapellmeister Louis Spohr nach Basel, um hier mit seiner Frau, einer bedeutenden Harfenistin, ein Konzert zu geben.
Wilhelm Merian, Basels Musikleben im XIX. Jahrhundert, Basel 1920, S. 11.
Es ist durchaus vorstellbar, dass diese Concertante damals erklungen ist.
"Reminiscences de Don Juan, G 418", (1841) // Franz Liszt (1811-1886) // Leonid Brumberg, Klavier // P/C keine Angaben; DIGITAL CDA-18610.

Jm letzten Konzert, das wie das zweite im Stadttheater stattfand (11. Juli [1845]), trug Liszt u. a. die Don-Juan-Fantasie, ein Klavierkonzert, die Aufforderung zum Tanz von Weber und 'un air dans les montagnes, nocturne pastorale ...' vor ...
Wilhelm Merian, Basels Musikleben im XIX. Jahrhundert, Basel 1920, S. 71.
"Waldszenen op. 82: 5. Freundliche Landschaft. Schnell.", (1848/49) // Robert Schumann (1810-1856) // Maria João Pires, Klavier // P/C 1994; DG 437 538-2.

Am 24. Juli 1851 spielte Clara Schumann bei Herrn Heusler die Waldszenen.
Wilhelm Merian, Basels Musikleben im XIX. Jahrhundert, Basel 1920, S. 69.
"Klavierquartett Nr. 2 A-Dur, op. 26 Allegro non troppo.", (1861/62) // Johannes Brahms (1833-1897) // Rudolf Serkin, Klavier, Adolf Busch Violine, Paul Doktor, Viola, Hermann Busch, Violoncello (Aufnahme 21. 9. 1932) // P/C 1993; EMI 7 64702.2.

Schon der November (1865) sah Brahms wieder in Basel; am 19. gab er im obern Kasinosaale ein eigenes öffentliches Konzert, das grossen Erfolg hatte und stark besucht war. Wieder spielte er das a-dur-Quartett, zusammen mit Abel, Fischer und Kahnt, ...
Wilhelm Merian, Basels Musikleben im XIX. Jahrhundert, Basel 1920, S. 103.

Die Aufnahme mit dem Busch-Quartett erhellt einen zusätzlichen Aspekt des Basler Musiklebens. Der wachsende Antisemitismus zwang die Musiker, Deutschland 1927 zu verlassen. Sie fanden in Riehen Zuflucht und traten in dieser Zeit regelmässig in Basel auf. Adolf Busch erhielt 1935 das Riehener Bürgerrecht. 1939 emigirierten sie nach den USA.
"Sinfonie Nr. 5 F-Dur, mit Solovioline, o. O. (Der Geiger von Gmünd)
Allegretto tranquillo (pastorale).", (1906) // Hans Huber (1852-1921) // Hans-Heinz Schneeberger, Violine, Stuttgarter Philharmoniker, dir. Jörg-Peter Weigele // P/C 1998; Sterling CDS-1027-2.

Hans Huber zog 1877 nach Basel. 1889 kam er an die Musikschule und 1896 übernahm er die Leitung, die er bis 1918 inne hatte. Unter seiner Direktion wurde das Konservatorium gegründet. Die fünfte Sinfonie wurde am 11. Februar 1906 in Basel uraufgeführt.
Hermann Suter (1870-1926) war Schüler von Hans Huber und übernahm von 1918 bis 1921 die Direktion des Konservatoriums.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören Le Laudi nach Texten von Franz von Assisi und die Musik zu Albert Oeris Festspiel zur Vierhundertjahr-Feier der Vereinigung von Riehen und Basel (1923) mit dem Wettsteinmarsch (siehe Raum 16).
Als Dirigent leitete er ab 1902 die Allgemeine Musikgesellschaft und den Basler Gesangverein.
"´Andante tranquillo´ Konzert für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, Sz 106", (1936) // Béla Bartók (1881-1945) // Chicago Symphony Orchestra, dir. Pierre Boulez // P/C 1996; Deutsche Grammophon 447 747-2.

Das Konzert ist dem Dirigenten Paul Sacher (1906-1999) und seinem Basler Kammerorchester BKO gewidmet. Es ist 1936 entstanden und wurde am 21. Januar 1937 in Basel uraufgeführt.
Es ist kein Zufall, dass hier eine Aufnahme mit Pierre Boulez erklingt. Er war Paul Sacher freundschaftlich verbunden und als Dozent an der Musik-Akademie der Stadt Basel tätig.
"´1. Beiseit´ aus: ´Zwölf Lieder nach Gedichten´ von Robert Walser", (1990/91) // Heinz Holliger (geb. 1939) // David James, Countertenor, Elmar Schmid, Klarinette, Teodoro Anzellotti, Akkordeon, Johannes Nied, Kontrabass, dir. Heinz Holliger // P/C 1995; ECM New Series 1540 447 391-2.

Heinz Holliger lebt seit den frühen 1960er Jahren in Basel. Zahlreich sind seine in Basel uraufgeführten Kompositionen und seine Auftritte als Oboist und Dirigent.
Beiseit, so genannt nach dem ersten Lied des Zyklus' ist György Kurtág gewidmet.
"Kammerstück IV für Flöte, Klarinette, Horn, Violine, Viola und Violoncello Drei Sätze ohne Bezeichnung (1)", (1996) // Jean-Jacques Dünki (geb. 1948) // Ensemble Opera nova, dir. Jean-Jacques Dünki // P/C 1999; Musikszene Schweiz MGB CTS-M 63.

Jean-Jacques Dünki unterrichtete von 1975 bis 2012 an der Musik-Akademie der Stadt Basel.
Das Kammerstück IV wurde zum Jahreswechsel 1996/96 fertiggestellt und war ein Auftragswerk der Präsidialabteilung der Stadt Zürich. Es ist Dünkis Freunden im Ensemble Opera nova gewidmet, in Dankbarkeit für das gemeinsame Musizieren.
 
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