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Collegium musicum und Hausmusik

Das Collegium musicum wurde 1692 gegründet. Ziel war zunächst, die Freude am Musizieren zu fördern und die geistliche Musik zu pflegen. Im Unterschied zu den bereits früher gegründeten Collegia musica in anderen Schweizer Städten bestanden in Basel Verbindungen zur Kirche und zum Gymnasium sowie ein direkter Bezug zur Universität, wo seit dem 16. Jahrhundert Musik auch praktisch gelehrt wurde.

Mit der Einführung der Subskriptionskonzerte im Jahre 1748 wurden die Aktivitäten stark intensiviert und damit auch für Berufsmusiker und Instrumentenbauer attraktiver. 1752 bestand die Möglichkeit, 18 Berufsmusiker zu beschäftigen. Die aufgeführten Werke sind nur zum Teil durch indirekte Beschreibungen und erhaltene Musikalien bekannt.

Die Ende des Jahrhunderts ausbrechenden Revolutionswirren führten dazu, dass von 1799 bis 1803 keine Darbietungen stattfinden konnten.

Eng mit dem Collegium musicum verbinden sich die Namen der Holzblasinstrumentenmacher Schlegel mit Vater Christian (um 1667–1746) und Sohn Jeremias (1730–1792) sowie der Tasteninstrumentenbauer Vater Peter Fridrich Brosi (1700–1764) und Sohn Johann Jacob Brosy (1748–1816); letzterer war für den Unterhalt der Tasteninstrumente des Collegium musicum verantwortlich.

Im Folgenden lesen und hören Sie eine Rekonstruktion eines Konzertes vom 9. Januar 1755 (mit Zitaten aus zeitgenössischen Berichten):

1. Teil, 1. Stück: Antonio Vivaldi (1678-1741), Konzert E-Dur "La Primavera" für Violine, Streicher und Basso continuo, op.8 Nr. 1, Allegro
"Es war der Frühling des Herrn Vivaldi; er [der Spieler] wollte diesen vorstellen, und hat es so übel nicht getroffen. Auch schickt es sich für diese Zeit. Es ist schade, dass man nicht in andern Jahrszeiten seine übrigen spielt; ..."

1. Teil, 2. Stück: Georg Friedrich Händel (1685-1759), "Cara pianta", Arie für Tenor und Orchester, Schluss-Arie aus Apollo e Dafne, HWV 122, um 1708
"Darnach kam einer allein, der sang ein Italiänisch Lied, dass ich in meinem Kirchspiele nichts so schönes gehört habe; seine Zunge war wie vor lauter Rädlein, und sein Hals so glatt, als wann er geschmiert wäre. Bald sang er traurig, bald erzürnt, bald erschrack er, bald lächelte er, ..."

2. Teil, 1. Stück: Georg Christoph Wagenseil (1715-1777), Sinfonia B-Dur, WV 438, Allegro, um 1755
Die Musik "war fast wie zuvor, nur spielte man ein ander Stück ..." (Sinfonien von Wagenseil sind im Musikalienbestand des Collegium musicum verzeichnet.)

2. Teil, 2. Stück: Johann Valentin Rathgeber (1682-1750), Von der edlen Musik, Lied für Sopran oder Tenor und Basso continuo aus Augsburger Tafelconfect
"Hernach kam eine Sängerin, die ein kurzes Lied sang. Es gefiel mir recht wohl, und klang sehr lustig ..."

2. Teil, 3. Stück: Giuseppe Tartini (1692-1770), Konzert G-Dur für Violine und Orchester, Allegro, Largo-Andante, Presto
"... kam ein schön geputztes junges Herrlein, mit einer Geigen hervor, und setzte sich zuvorderst auf einen Stuhl; die andern Spielleute sassen hinter ihm, und spielten ganz leise mit. ... die Musik ist an sich gut, aber er hat sie nicht wohl gespielt."
(Ein Konzert in E-Dur von Tartini ist im Musikalienbestand des Collegium musicum verzeichnet.)

3. Teil, 1. Stück: Johann Wenzel Anton Stamitz (1717-1757), (Orchester-)Trio A-Dur für 2 Violinen und Bass, op. 1 Nr. 2
Allegro assai, Andante poco Adagio, Menuet, Prestissimo
"Es spielten nur drey mit einander, namlich zwey Geigen und ein Bass. Mein Freund sagte mir, man heisse diss ein Trio, und alle drey seyen nur Liebhaber. Aber sie spielten meisterlich, und so sanft, ..."
(Das Stück kann mit Trio- oder Orchesterbesetzung gespielt werden. Werke von J. W. A. Stamitz sind im Musikalienbestand des Collegium musicum verzeichnet.)

3. Teil, 2. Stück: Francesco Maria Veracini (1690-1768), Sonate Nr. 8 e-moll für Violine und Basso continuo
Allegro, Ritornello, Giga
"... und einer auftrat, der ein rechter Meister auf der Violine war. Er fing an, und niemand als ein Bass half ihm. Er zog recht englische, lange, satte Thöne aus seiner Geigen. Sein Bogen sprang auf den Seiten herum, und darüber, wie die Gemsen auf die Klippen." Bei dem virtuosen Spiel könnte es sich um die Kunst des Geigers Jakob Christoph Kachel, 1728-1795, gehandelt haben.

3. Teil, 3. (letztes) Stück: Antonio Maria Bononcini (1677-1726), "Rapido da te lungi", Chor aus dem Oratorium La Decollazione di San Giovanni Battista, 1709
"Als dieser [der virtuose Violinspieler] abgetretten war, kamen zwey Jungfern mit dem Singmeister hervor, und eine Bass-Stimme. Diese liessen uns ein Jtaliänisch Lied hören, viel schöner, als eines unserer allerbesten Weihnachts-Gesängen ..."

Welches Musikstück aufgeführt wurde, ist nicht herauszufinden. Die Beschreibung könnte auf ein mehrstimmiges Stück aus einem italienischen Oratorium zutreffen. Dies hat zur Wahl des vorliegenden Stückes geführt, das den geschilderten musikalischen Charakter einigermassen wiederzugeben vermag. Das Oratorium wurde von der Wiener Hofkapelle 1709 uraufgeführt.

"Konzert E-Dur ‚La Primavera' Für Violine, Streicher und Basso Continue, op.8 Nr. 1, Allegro (Giunt’è la primavera), Largo e pianissimo sempre (Il Caparro che dorme), Danza pastorale Allegro" // Antonio Vivaldi (1678 - 1741) // Giuliano Carmignola, Violine, I Sonatori de la Gioiosa Marca // P/C 1994; CDX-79404-F.
" ‚Cara pianta‘, Arie für Bariton und Orchester Schluss-Arie aus Apollo e Dane, HWV 122", (Um 1708) // Georg Friedrich Händel (1685 - 1759) // Thomas Hampson, Bariton, Concentus musicus Wien, Lag. Nikolaus Harnoncourt // P 1988, 1990/C 1995; Tel 4509-98645-2.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 1. Teil, 2. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚Darnach kam einer allein, der sang ein Italienisch Lied, dass ich in meinem Kirchspiele nichts so schönes gehört habe; seine Zunge war wie vor lauter Rädlein, und sein Hals so glatt, als wann er geschmiert wäre. Bald sang er traurige bald erzürnt, bald erschrack er, bald lächelte er, …’
"Sinfonia B-Dur, WV 438 Allegro, Andante ma molto, Vivace", (Um 1755) // Georg Christoph Wagenseil (1715 - 1777) // L’Orfeo Barockorchester, dir. Michi Gaigg // P/C 1999; cpo 999 450-2.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 2. Teil, 1. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
Die Musik ‚war fast wie zuvor, nur spielte man ein ander Stück …‘
"Von der edlen Musik, Lied für Sopran oder Tenor und Basso Continue aus Augsburger Tafelconfect" // Johann Valentin Ratgeber (1682 - 1750) // Consortium Canticum Leipzig und Kammermusikensemble Freiburg // P/C [1995]; ANTES BM-CD 31.9033.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 2. Teil, 2. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚Hernach kam eine Sängerin, die ein kurzes Lied sang. Es gefiel mir recht wohl, und klang sehr lustig …‘
"Konzert G-Dur für Violine und Orchester Largo-Andante" // Guiseppe Tartini (1692 - 1770) // Chiara Banchini, Violine, Ensemble 415, dir. Chiara Banchini // P/C 1995; HMC 901548.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 2. Teil, 3. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚… kam ein schön geputztes junges Herrlein, mit einer Geigen hervor, und setzte sich zuvorderst auf einen Stuhl; die andern Spielleute sassen hinter ihm, und spielten ganz leise mit. … die Musik ist an sich gut, aber er hat sie nicht wohl gespielt.‘
"Allegro assai, Andante poco Adagio, Menuett, Prestissimo, (Orchester-)Trio A-Dur für 2 Violinen und Bass, op. 1 Nr. 2" // Johann Wenzel Anton Stammsitz (1717 - 1757) // Concentus musicus Wien, dir. Nikolaus Harnoncourt // P 1963/C 1992; Tel 4509 91 002-2.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 3. Teil, 1. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚Es spielten nur drey mit einander, namlich zwey Geigen und ein Bass. Mein Freund sagte mir, man heisse diss ein Trio, und alle drey seyen nur Liebhaber. Aber sie spielten meisterlich, und so sanft, …‘
"Allegro, Ritornello, Giga, Sonate Nr. 8 e-moll für Violine und Basso continuo" // Francesco Maria Veracini (1690 - 1768) // Fabio Bondi, Violine, Maurizio Nadel, Violoncello, Rinaldo Alessandrini, Cembalo, Pascal Monteilhet, Theorbe // P/C 1995; OPS 30-138.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 3. Teil, 2. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚… und einer auftrat, der ein rechter Meister auf der Violine war. Er fing an, und niemand als ein Bass half ihm. Er zog recht englische, lange, satte Thöne aus seiner Geigen. Sein Bogen sprang auf den Seiten herum, und darüber, wie die Gemsen auf die Klippen.’
"‚Rapido da te lungi‘, Chor aus dem Oratorium La Decollazione di San Giovanni Battista", (1709) // Antonio Maria Bononcini (1677 - 1726) // Micael Van Goethem, Maurizia Barazzoni, Daniela Piccini, Fernanda Piccini, Virgilio Bianconi, Gesang, Orchestra del Teatro dell’Opera Barocca di Guastalla, dir. Sandro Volta // P/C 1999; TC 675201.

Rekonstruktion eines dreiteiligen Konzerts vom 9. Januar 1755: 3. Teil, 3. Stück (nach einem zeitgenössischen Bericht):
‚Als dieser [der virtuose Violinenspieler] abgetretten war, kamen zwey Jungfern mit dem Singmeister hervor, und eine Bass-Stimme. Diese liessen und ein Jtaliänisch Lied hören, viel schöner, als eines unserer allerbesten Weihnachts-Gesängen …‘
"Andante, 2. Satz aus der Sonate c-moll, op. 17 Nr. 2" // Johann Christian Bach (1735 - 1782) // Richard Burnett, Tafelklavier // P/C 1995; SCD-0623.
 
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