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Alte Musik in neuer Zeit um 1880 bis Ende 20. Jahrhundert

Nach dem Vorbild ähnlicher Veranstaltungen in Brüssel und Paris wurden in Basel seit 1882 alte Instrumente in Konzerten gespielt. Dies lenkte die Aufmerksamkeit auf die vorwiegend in Museen aufbewahrten historischen Instrumente, die restauriert und wieder spielbar gemacht wurden: aus heutiger Sicht eine kaum mehr zu verantwortende Praxis.

Mit zunehmendem Interesse an der alten Musik wurden die erforderlichen Instrumente in Anlehnung an historische Vorbilder rekonstruiert; seit den 1960er Jahren dienen die in den Museen erhaltenen Instrumente vermehrt als Quellen und werden als Vorlagen für genaue Nachbauten von Instrumentenmachern untersucht und vermessen.

Die 1933 von Paul Sacher (1906–1999) gegründete Schola Cantorum Basiliensis in Basel und die Konzerte ihres angegliederten Vereins der Freunde alter Musik in Basel (1942) legen ein beredtes Zeugnis dieser Bemühungen ab und haben Basel über Jahrzehnte hinweg bis heute zum Zentrum der Pflege alter Musik gemacht. Damit zusammenhängend haben sich verschiedene «alte» Instrumente erhalten, die früher in der Schola Cantorum Basiliensis in Konzerten gespielt und bis nach 1960 im Unterricht verwendet wurden, so etwa ein Viola da gamba-Quartett aus den 1930er Jahren von Hans Jordan, Markneukirchen, oder ein Blockflötenensemble von Peter Harlan, ebenfalls Markneukirchen, 1950er Jahre.

Im September 1946 fand die erste Aufführung einer barocken Oper mit alten Instrumenten in Basel statt: Il pastor fido von Georg Friedrich Händel wurde vom Basler Marionettentheater und den Freunden alter Musik gemeinsam erarbeitet.

Auf Bestellung des Basler Kammerorchesters im Jahre 1930 entstand in der Werkstatt der Firma Pleyel in Paris ein Cembalo. Es wurde nach dem Vorbild des Instruments der damals berühmten Cembalistin Wanda Landowska angefertigt und von ihr am 12. März 1931 in Basel eingeweiht.

Eine Auswahl von Musikbeispielen:

"Fantasia Nr. 9 für Laute" // Luys Milan (um 1500- nach 1561) // Walter Gerwig, Laute von Hans Jordan, Markneukirchen 1950, nach einem Instrument von Magnus Hellmer, Füssen um 1620 // P/C 1957; Archiv DGG 14075 APM.

Die Archiv-Produktion der Deutschen Grammophon-Gesellschaft war eine der ersten Labels speziell für alte Musik. Walter Gerwig weilte immer wieder in Basel und war der Schola Cantorum Basiliensis stets verbunden. Die Aufnahme entstand im Jahre 1956.
Das von Walter Gerwig gespielte Instrument von Hans Jordan, Markneukirchen, findet Entsprechungen bei den ausgestellten Lauten von Hermann Hauser, München 1933, Inv.-Nr. 1977.9., bzw. von Hans Jordan, Markneukirchen 1934, Inv.-Nr. 1989.26.
"Schluss-Szene (3. Akt, 8. Szene) aus: ´Il Pastor fido´", (1734) // Georg Friedrich Händel (1685-1759) // Aufnahme um 1956; Ausführende vermutlich Capella Coloniensis unter August Wenzinger.

Il Pastor fido wurde als erste Barockoper in Basel mit historischen Instrumenten dargeboten. Die Freunde alter Musik in Basel führten vom 5.-9. September 1946 sechsmal Händels Schäferoper auf. Die Ausführenden waren Solisten und die verstärkte Konzertgruppe der Schola Cantorum Basiliensis unter August Wenzinger sowie das Basler Marionettentheater, Leitung Richard Koelner.
Zusammen mit den Marionetten zu Il Pastor fido kam eine Tonbandaufnahme vom Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) aus dem Jahre 1956 in die Sammlungen des HMB. Die Basler Musiker arbeiteten damals eng mit dem NWDR bzw. WDR zusammen, so dass eine Direktion Wenzinger in unserem Musikbeispiel nahe liegt.
"Recercada tercera sobre Doulce memoire für Viola da gamba und Cembalo" // Diégo Ortiz (um 1510- um 1570) // Jordi Savall, Viola da gamba, Aline Parker-Zylberajch, Cembalo // P/C 1995; dhm 05472 77427 2.

Jordi Savall studierte in Basel und lehrte jahrelang Viola da gamba an der Schola Cantorum Basiliensis. Er gründete das Ensemble Hespérion XX, das sich der Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Frühbarock widmet, und tritt erfolgreich als Dirigent auf.
Die CD ist eine Neuauflage von zwei Langspielplatten, die im Dezember 1979 und im Januar 1980 aufgenommen wurden. Damit nahm die Reihe documenta der Schola Cantorum Basiliensis ihren Anfang. Die zahlreichen Einspielungen spiegeln auf eindrückliche Weise die Lehre und Forschung in der alten Musik in den letzten 20 Jahren wider.
"Allegro, 4. Satz aus Sonate F-Dur, op. 1 Nr. 11, für Blockflöte und Basso continuo" // Georg Friedrich Händel (1685-1759) // Hans-Martin Linde, Blockflöte, Eduard Müller, Cembalo, August Wenzinger, Viola da gamba // P/C 1962; HM 30617.

Die Sonate wurde im Dezember 1961 in Remscheid aufgenommen. Alle drei Musiker waren als Lehrer an der Schola Cantorum Basiliensis und als Konzertierende mit dem Basler Musikleben eng verbunden. Ihre Forschungsarbeiten widmeten sie vor allem der historischen Aufführungspraxis.
"Sonata a due cembali in g-moll" // Johann Mattheson (1681-1764) // Attilio Cremonesi und Alessandro de Marchi, Cembalo nach Michael Mietke // P/C 1997; HMC 905235.

Beide Künstler sind Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis. Sie setzen sich insbesondere für die selten aufgeführte Musik für zwei Cembali ein und vertreten hier die Bemühungen um die alte Musik in den späten Neunzigerjahren.
"Fuge, BWV 998" // Johann Sebastian Bach (1685-1750) // Wanda Landowska, Cembalo von Pleyel, Paris, Aufnahme 1946 in New York // P/C 1992; BMG Music 09026-60919-2.

Das Basler Kammerorchester bestellte bei Pleyel in Paris ein Cembalo nach den Vorgaben von Wanda Landowska, die selbst ein gleiches Instrument besass und in Konzerten und Aufnahmen spielte.
Am 12. März 1931 wurde das neue Cembalo durch Wanda Landowska mit Werken von Johann Sebastian Bach eingeweiht. Das Instrument aus dem Jahre 1930 steht im Grossraum im Erdgeschoss.
"Allegro Es-Dur, BWV 998" Johann Sebastian Bach (1685-1750) // Wanda Landowska, Cembalo von Pleyel, Paris, Aufnahme 1946 in New York // P/C 1992; BMG Music 09026-60919-2.

"Praeludium, BWV 998" // Johann Sebastian Bach (1685-1750) // Wanda Landowska, Cembalo von Pleyel, Paris, Aufnahme 1946 in New York // P/C 1992; BMG Music 09026-60919-2.
"A chi vive, Canzonetta amorosa für zwei hohe Stimmen und Basso continuo" // Luigi Rossi (1598-1653) // Rosemarie Hofmann, Sopran, René Jacobs, Altus, Jos van Immerseel, Cembalo, Konrad Junghänel, Laute, Pere Ros, Viola da gamba // P 1982/C 1997; dhm 05472 77452 2.

Die Gesangssolisten waren lange Zeit als Lehrende an der Schola Cantorum Basiliensis tätig.
René Jacobs war zudem in der Spielzeit 1999/2000 am Theater Basel sehr erfolgreich: Er leitete die mit dem Tanztheater unter Joachim Schlömer gemeinsam erarbeitete Produktion Guerra d'amore mit der Musik von Claudio Monteverdi.
 
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