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Bildwerke

Holzstatuette: Selbstmord der Lucretia

Cartel

Buchsbaumstatuette der Lucretia

Daniel Mauch (Ulm 1476/1477 – 1540 Lüttich) zugeschrieben

Ulm oder Mecheln, zwischen 1520 und 1540

Buchsbaum

H. 12,5 cm, B. 4,5 cm, T. 3,4 cm

Inv. 1870.1036.

Description

Die Römerin Lucretia wurde dem Bericht des Livius zufolge im Jahre 509 v. Chr. von Sextus Tarquinius, dem Sohn des letzten römischen Königs, vergewaltigt und nahm sich das Leben, um ihre Ehre zu wahren. Ihr Freitod führte zur Vertreibung der Königsfamilie und hatte die Errichtung der römischen Republik zur Folge. Die dramatische Darstellung der sich erdolchenden Römerin gehörte in der Renaissance zu den meistdargestellten antiken Tugendbeispielen. Das Thema bot die Möglichkeit, die Widergabe eines anmutigen weiblichen Aktes mit der dramatischen Handlung der Selbsttötung zu verbinden.
Die kleine Buchsbaumstatuette zeigt Lucretia genau in jenem Augenblick, in dem sie sich mit beiden Händen den Scheibendolch in den Leib stösst. Die rechte Hand drückt gegen den Griff des Dolches, während die vor den Körper geführte Linke diesen zu sich heranzieht. Die Klinge des Dolches ist auf der Höhe des Handgelenks abgebrochen, doch deuten Kratzspuren unterhalb Lucretias linker Brust darauf hin, dass der Dolch ursprünglich zu dieser Stelle führte. Die Aktfigur steht im Kontrapost auf einem runden, als Rasenfläche gestalteten Sockel.
Die Statuette gehört zu einer Gruppe von elf kleinformatigen Aktfiguren mythologischer, allegorischer und biblischer Thematik, die Jörg Rasmussen überzeugend dem Ulmer Bildschnitzer Daniel Mauch zuschrieb. Die Figuren, die zuvor dem Umkreis des Mechelner Hofbildhauers Conrat Meit zugeordnet wurden, weisen in der Gestaltung von Physiognomie und Haartracht deutliche Ähnlichkeiten mit den Marien- und Heiligendarstellungen Mauchs auf (Rasmussen 1973, S. 134–139; Wagini 1995, S. 107–113). Charakteristisch für die weiblichen Skulpturen Mauchs ist die Frisur mit den das Gesicht rahmenden Ringellöckchen und den in zwei Strähnen um den Kopf geschlungenen Haaren, die über dem Mittelscheitel miteinander verknotet sind. Vermutlich begann Mauch bereits in Ulm, diese kleinplastischen Aktfiguren zu fertigen, die als exquisite Sammlerstücke beim Adel sowie in humanistischen Gelehrtenkreisen auf Interesse stiessen. (Kat. Ulm 2009, S. 58–75 [Stefan Roller]). Die Darstellung der Lucretia wurde nicht nur als Idealbild weiblicher Tugend, sondern auch aufgrund der Schönheit des weiblichen Aktes von Sammlern geschätzt. Ob die Statuette der Lucretia noch in Ulm, wo sich Mauch bis 1529 aufhielt, oder erst nach seiner Niederlassung in Lüttich entstand, lässt sich jedoch nicht entscheiden.
Unter den Lucretia-Statuetten von der Hand Mauchs, die sich in Wien, New York und Braunschweig (späterer Bronzeguss nach Mauchs Vorbild) erhalten haben, steht die Basler Figur der ebenfalls aus Buchsbaumholz geschnitzten Lucretia aus New York am nächsten, wenngleich diese nahezu doppelt so gross ist (Kat. Ulm 2009, S. 302–305, Kat.-Nr. 45). Die Formgebung des kräftigen Körpers, der Kopftypus und die Haartracht sind eng miteinander vergleichbar. Die Haltung erscheint ansatzweise gespiegelt, wobei die anders geführten Arme der New Yorker Lucretia spätere Ergänzungen sind. Die Basler Figur erhält insofern mehr Dynamik, als das Spielbein stärker gewinkelt und der Fussballen auf einer kleinen Bodenerhebung abgesetzt ist. Überhaupt unterscheidet sich die Gestaltung des leicht ovalen Sockels von jenen flachen, unregelmässig gekanteten Plinthen der anderen, Daniel Mauch zugewiesenen Figuren: Die Oberflächenbearbeitung des Sockels beschränkt sich hier nicht auf die Standfläche, sondern ist bis an den Rand gezogen. So wird die Illusion eines kleinen Hügels gegeben. Die an der Unterseite des Sockels sichtbaren Schnittspuren weisen darauf hin, dass der längere Rohling, an dem sich das Werkstück für die Bearbeitung fixieren liess, nach der Fertigstellung der Figur abgesägt wurde.
Die Figur ist bis in die Details präzise ausgearbeitet, auch das schmerzerfüllte Gesicht der Heldin mit den zusammengezogenen Augenbrauen, den leicht geöffneten Augen sowie einem Grübchen auf dem Kinn ist fein durchmodelliert. Sie kann daher als abgeschlossenes Kunstkammerstück gelten.
Der wiederholt als Vorlage angeführte, um 1515 von Lucas van Leyden geschaffene Kupferstich der Lucretia könnte zwar für das Motiv der über den Bauch geführten Hand, mit der die Heldin den Dolch in ihren Körper zieht, prägend gewesen sein. Doch unterscheidet sich die Buchsbaumstatuette in ihrer aufrechteren Haltung, dem Kontrapost und der Gesamtstatur des Körpers zu sehr von der grafischen Lösung, als dass diese als direktes Vorbild gelten dürfte. In der Wendung des Körpers nach rechts entspricht die Figur der Venus auf dem Stich von Marcantonio Raimondi (Kat. Ulm 2009 S. 305, Abb. 119–120). In der Haltung mit der Basler Statuette vergleichbar ist die Figur der Lucretia, die als Nischenfigur eine um 1540 wohl am Oberrhein entstandene Eisentruhe ziert (Strassburg, Städtische Museen; Weihrauch 1967, S. 296–297, Abb. 358). Sie darf wohl zu den Nachahmungen der Modelle Mauchs gezählt werden.
Unter den Daniel Mauch zugeschriebenen Kabinettstücken ist die vorliegende Statuette die Einzige, deren Provenienz sich lückenlos bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Sie gehört zu einem kleinen, aber bemerkenswerten Ensemble von geschnitzten Kleinskulpturen, unvollendeten Figuren und hölzernen Goldschmiedemodellen (Kat.-Nr. 49–50, 81), die Basilius Amerbach in einem der sechs Sammlungsmöbel mit Werkstattmaterial bewahrte. Die Vermutung, die Statuette der Lucretia könnte mit dem Nachlass des Erasmus von Rotterdam in den Besitz des Sammlers gelangt sein (Rasmussen 1973, S. 139), lässt sich nicht nachweisen. Erasmus stand zwar mit Daniel Mauchs gleichnamigem humanistisch gebildetem Sohn in Kontakt, der Briefwechsel enthält jedoch keinerlei Hinweise auf Kunst oder Geschenke (Allen, Bd. 6, S. 197–99, Nr. 1633). Es ist somit naheliegender, dass Basilius Amerbach, der in seiner Sammlung auch ein Gemälde der Lucretia von Niklaus Manuel Deutsch von 1517 verwahrte (Boerlin 1991, Kat.-Nr. 8), die Statuette in den 1580er Jahren in sein Kabinett aufnahm.

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