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Goldschmiedekunst

Schale aus vergoldetem Silber mit 11 eingelassenen antiken Münzen. Griff in Gestalt einer fürsorgenden Caritas mit 2 Kindern.

Key data

Münzschale

Süddeutsch oder Schweiz (Basel?), um 1560

Silber, vergoldet

H. 5 cm, Dm. 12,5 cm, Gewicht 256 g

Inv. 1882.99.

Description

Ein wahres, bis heute rätselhaftes Kunstkammerstück ist diese «vergüldte Schalen mit 11 eingesetzten antiqueten» aus der Wunderkammer des Basler Sammlers Remigius Faesch (1595–1667). Auffällig ist bereits das Gewicht der Schale, deren Wände mit durchgehend 0,7 bis 1,0 mm ungewöhnlich dick sind. Mit blossem Auge kaum sichtbare Poren bestätigen den Verdacht, dass die Schale gegossen wurde, was bei Objekten dieser Form und Grösse weder nötig noch vom Aufwand her sinnvoll war. Die feinen ornamentalen Gravuren und Ziselierungen sowie der handwerklich gekonnt, mit nur wenig Lot angesetzte Griff belegen aber, dass hier ein talentierter Goldschmied am Werk war. Das Inventar des Museums Faesch irrt allerdings bei der Annahme, es handle sich um eingesetzte antike Münzen. Die grosse Alexanderdrachme und die elf kleineren Münzen sind allesamt Abgüsse.
Die Schale diente dem mit der Antike vertrauten Renaissancegelehrten wohl in erster Linie als hoch ästhetisches und wertvolles Vorzeigestück. Da Faesch eine beträchtliche Sammlung von über 8000 Münzen und Medaillen zusammentrug, passte eine Münzschale besonders gut in sein Kabinett. Dass zu dieser Zeit nicht immer strikt römische und griechische Antike auseinandergehalten wurden, wurde erst Jahrhunderte später bewusst. Dementsprechend willkürlich scheint bei der Schale die Auswahl der verwendeten Münzen. Es darf dennoch vermutet werden, dass die zehn paarweise angeordneten kleineren Münzen sowie die grosse Alexanderdrachme in der Mitte ganz bewusst in einem Zusammenhang angeordnet wurden, der heute nicht mehr leicht nachvollziehbar ist.
Die klassische Trinkfunktion ähnlicher flacher Schalen mit Griff wird durch den eindeutig für einen Deckel konzipierten Rand sehr erschwert. Die geringen Abnützungsspuren am Rand selbst sowie an der möglicherweise noch originalen Vergoldung lassen jedoch daran zweifeln, dass ein solcher Deckel je existiert hat.
Aus kunsthistorischer Sicht besonders interessant ist der Griff mit einer Darstellung der Caritas, der in nachreformatorischer Zeit besonders geschätzten Tugend der Nächstenliebe. Dem Griff zugrunde liegt ein Entwurf von Wenzel Jamnitzer (1508–1585) aus Nürnberg, dem schon zu Lebzeiten berühmtesten deutschen Goldschmied (Abb. unten). Die Beliebtheit dieser ausgewogenen Kombination von Caritas-Darstellung und Rollwerkornament belegen u.a. zwei Glocken Jamnitzers (London, British Museum, und München, Schatzkammer der Residenz, Kat. Nürnberg 1985, Abb. 31, S. 59 und Abb. 18, S. 223) sowie der Abguss des Sattelbogens Kaiser Maximilians II., für den die Caritas möglicherweise eine Leittugend war (Kat.-Nr. 55). Auch unter den zahlreichen Bleimodellen für Goldschmiede aus Jamnitzers Werkstatt befinden sich zwei ähnliche Exemplare der Caritas (Historisches Museum Basel, Inv. 1904.1378. [Kat.-Nr. 52] und Inv. 1904.1577.
Die Rückseite des Griffes wirft weitere Fragen auf. Fast im Zentrum befindet sich ein Stempel mit einem zeittypischen Hauszeichen, eventuell teilweise ein Monogramm, zumindest ist ein «S» erkennbar. Als Goldschmiedemarke ist dieses Zeichen bisher nicht bekannt. Wenzel Jamnitzers Marke ist es nicht. Allerdings kommen unzählige andere Goldschmiede in Frage. Allein in Nürnberg arbeiten in der Zeit um 1560 mehr als hundert Goldschmiede gleichzeitig, und auch im deutlich kleineren Basel ist die Anzahl der Goldschmiede mit etwa 25 respektabel. Weitere Herstellungsorte im süddeutschen oder schweizerischen Raum sind ebenfalls denkbar, nur Strassburg kann ausgeschlossen werden, da hier alle Goldschmiedemarken bekannt sind. Das Fehlen eines zu dieser Zeit an den meisten Orten bereits üblichen Beschauzeichens überrascht. Sollte es sich gar nicht um einen Meisterstempel, sondern um eine Besitzermarke handeln? Ungewöhnlich sind zudem die ornamentalen Gravuren auf der Unterseite des Griffes, jedoch erst auf den zweiten Blick, denn sie beziehen den Stempel mit ein und sind um ihn herum komponiert.
Erhaltene weltliche Goldschmiedearbeiten aus dem 16. Jahrhundert sind relativ selten, dennoch bestätigt der stilistische Vergleich mit anderen Münzschalen die Datierung und räumliche Zuordnung. Als Beispiele seien genannt: die frühe Pfinzig-Schale von Melchior Baier, Nürnberg, 1534/36 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Kat. Nürnberg 2007, Bd. II, Abb. 134, S. 166), eine ähnlich proportionierte Münzschale mit Griff aus Süddeutschland, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (Wien, Kunsthistorisches Museum; Rainer 2010, S. 147) sowie die grosse Münzschale von Melchior II. Boss, Augsburg, um 1540 (München, Bayerisches Nationalmuseum; Seling 1980, Bd. II, Kat.-Nr. 254). Da der Caritas-Entwurf Jamnitzers ab etwa 1550 gesichert ist und die Schale noch ganz dem ruhigen, ausgewogenen Stilempfinden der Renaissance entspricht, scheint eine Datierung um 1560 wahrscheinlich. Die hohe handwerkliche Qualität dieses seit Jahrhunderten in der Faeschischen Sammlung befindlichen Kunstkammerstücks weist zudem auf ein grösseres Goldschmiedezentrum – vielleicht sogar Basel. CH

Münzabgüsse
Zentrum
Alexander III. (336–323 v. Chr.), Münzstätte Mesembria (Bulgarien), Tetradrachme
Vs.: Jugendlicher Herakles im
Löwenskalp nach rechts
Rs.: ΒΑΣΙΛΕΩ[Σ] – ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΥ
thronender Zeus nach links, in der Linken Zepter, in der Rechten Adler, darunter korinthischer Helm, unter dem Thron Monogramm HPA

Von links des Griffs im Uhrzeigersinn
Römische Republik, Münzmeister L. Cossutius C. F. Sabula, Denar 74 v. Chr.
Vs.: Kopf der Medusa nach links, links Beizeichen (?), rechts [SABVL]A
Rs.: Bellerophon reitet auf Pegasos nach rechts

Römische Kaiserzeit, Vespasian (69–79 n. Chr.), Denar 73 n. Chr.
Vs.: IMP CAES VESP AVG GENS, Kopf des Vespasian nach rechts
Rs.: PONTI[F] – MAXIM, Vespasian sitzt nach rechts mit Zweig und Zepter

Römische Kaiserzeit, Titus (79–81 n. Chr.), Denar 80 n. Chr.
Vs.: IMP TITVS CAES VESPASIAN AVG P M, Büste des Titus nach links
Rs.: TR P IX IMP XV COS VIII P P, Tripod, darüber Delfin

Römische Kaiserzeit, Severus Alexander (222–235 n. Chr.), Denar 231 n. Chr.
Vs.: IMP ALEXANDER PIVS AVG, Büste des Titus nach rechts
Rs.: PROVIDENTIA AVG, Providentia mit Ähren und Ruder, links Modius

Römische Republik, Münzmeister L. Cassius Q. F., Denar 78 v. Chr.
Vs.: Kopf des Liber mit Efeukranz nach rechts mit Thyrsosstab über Schulter
Rs. : Kopf der Libera nach links, rechts CASSI. Q. F

Römische Republik, Münzmeister L. ROSCI FABATI, Denar 64 v. Chr.
Vs.: Kopf der Iuno Sospita im Skalp nach rechts, links Beizeichen, unten L. ROSCI
Rs.: Mädchen und Schlange auf Standlinie, einander zugewandt, darunter FABATI

Römische Kaiserzeit, Vespasian (69–79 n. Chr.), Denar 76 n. Chr.
Vs.: [IMP CAESAR VE]SPASIANVS AVG, Kopf des Vespasian nach links
Rs.: COS – [VII], Adler auf Altar

Römische Kaiserzeit, Severus Alexander (222–235 n. Chr.), Denar 231 n. Chr.
Vs.: IMP ALEXANDER PIVS AVG, Büste des Titus nach rechts
Rs.: PROVIDENTIA AVG, Providentia mit Ähren und Ruder, links Modius

Römische Republik, Münzmeister L. Cassius Q. F., Denar 78 v. Chr.
Vs.: Kopf des Liber mit Efeukranz nach rechts mit Thyrsosstab über Schulter
Rs. : Kopf der Libera nach links, rechts CASSI. Q. F

Lysimachos (ca. 305–281 v. Chr.), Münzstätte Byzantion, Drachme, posthum
Vs.: Kopf des vergöttlichten Alexanders mit Ammonhörnern nach rechts
Rs.: ΒΑΣΙΛΕΩΣ – ΛΥΣΙΜΑΧΟΥ, Athena Nikephoros mit Nike in der Hand thront nach links, unten Trident nach links
(Die grosse Kunstkammer 2011, S. 269-271)

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