In der Sammlung des HMB befindet sich ein Spinnwebenbild. Wegen seiner tierischen Materialität und der handwerklichen Präzision wurde das Objekt wohl schon immer als Kuriosität verstanden.
Im Depot am Steinenberg 4 herrschen nicht nur konstante klimatische Bedingungen vor. Als präventive Schutzmassnahme der Objekte sind auch Insektenfallen aufgestellt. Spinnweben gibt es hier keine – sie sind höchstens in der Datenbank als Art der Verschmutzung eines Objektes vermerkt.
Im genannten Depot befindet sich aber auch eine Spinnwebe, die eine Inventarnummer trägt: HMB Inv. 1884.177. Ihr Titel «Ländliche Gegend mit Gutshof und Schloss» verweist auf das Motiv. Es handelt sich nämlich um ein Gemälde, das auf eine ausgebreitete Spinnwebe gemalt wurde, genauer genommen auf ein Gespinst der Traubenkirsch-Gespinstmotte. Das dichte Netz, das die Motten-Raupen spinnen, wurde vom Künstler ausgebreitet, gefirnisst – also mit einem klaren Anstrich versehen, der als Schutzschicht dient, – und mit Gouache bemalt. Insofern ist der Begriff «Spinnwebenbild» nicht ganz korrekt. Dennoch setzte er sich für die Bezeichnung der fragilen Gattung Gemälde durch.
Das Basler Spinnwebenbild hat mit seiner Grösse von 26x18 cm typische Masse und wird auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert. Spinnwebenbilder wurden seit den 1730er Jahre in Tirol angefertigt und es sind von Landschaftsbildern über sakrale Themen hinzu Portraits verschiedene Motive dieser Gemäldeart erhalten, insbesondere in Sammlungen diverser österreichischen Museen.
Bedenkt man die Materialität sowie das Alter des Bildes, so ist es beeindruckend, wie gut das Gespinst und dessen Bemalung erhalten sind. Man erkennt nach wie vor das Motiv des Schlosses mit Gutshof und sieben Personen im Vordergrund. Im Hintergrund führt ein Fluss zu einem weiteren Schloss. Die Alltäglichkeit der Szene wird von den phantastisch anmutenden Türmen des Schlosses im Vordergrund und den an Palmen erinnernden Bäumen kontrastiert. Ganz besonders aber nimmt die kuriose Materialität dem Gemälde seine Gewöhnlichkeit.
Als Kuriosität wurde es wohl schon zur Zeit seiner Entstehung betrachtet. Darauf weist nicht nur die Tatsache hin, dass es im Buch «Kuriositäten und Antiquitäten» als «Spezialität Tirols» aufgeführt wird. Auch der begrenzte geografische Entstehungsraum und die an einer Hand abzählbaren Künstler, die mit dieser fragilen Art Gemälde in Verbindung gebracht werden, weisen auf die Kuriosität und den Seltenheitswert dieser Kunst hin.
Ausserdem – und dies ist wohl für den Weg des Spinnwebenbildes nach Basel relevant – wurden bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Spinnwebenbilder vom Kunsthändler Franz Maria Unterberger (1794-1867) in seinem Innsbrucker Geschäft vertrieben. Gemäss Österreichischem Biographischen Lexikon trug der Verkauf von Spinnwebenbilder als «Fremdenverkehrsartikel» zu seinem erfolgreichen Geschäft bei. Der Seltenheitswert der Kunst sowie die Kombination von Bekanntem und Kuriosem machten sie wohl zum Idealen Souvenir, schliesslich sind diese Aspekte auch genau das, was Tourist:innen bis heute auf Reisen suchen und materialisiert nachhause bringen wollen.
Es lässt sich daher vermuten – Belege finden sich keine – dass das Spinnwebenbild auf diese Weise seinen Weg nach Basel fand, als Kuriosität käuflich erworben und von einer Reise nach Hause gebracht. Im Jahre 1884 wurde es als 177. Objekt im Eingangsbuch der mittelalterlichen Sammlung (ab 1892 Sammlung des HMB) als «G.[eschenk] von Ant.[iquar] Sattler» aufgeführt. Gemäss Adressbuch der Stadt Basel wirkte 1884 ein «Kunst- und Antiquitätenhändler» mit Geschäft am Blumenrain 7, der den Namen Albert Sattler trug. Er starb im Jahre 1899 und vermachte zuvor noch einige weitere Objekte der Sammlung des Historischen Museums Basel.
Das Spinnwebenbild zeigt exemplarisch Handwerkskunst, Kunsthandel, und die Relevanz der Kulturgüterbewahrung auf. Es liefert Anhaltspunkte für vertiefte Forschungen und verdeutlicht die Kontinuität der menschlichen Faszination für kulturelle Hervorbringungen auf. Dank der Aufnahme in die Sammlung des HMB bleibt es einer breiten Öffentlichkeit weiterhin erhalten.
Tim Buser arbeitet als Inventi bei der Generalinventur. Er studiert Geschichte mit Epochenschwerpunkt in der Frühen Neuzeit und Soziologie.
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